(gra) Für die Menschen, die gegen Stuttgart 21 auf die Straße gingen, war die Abstimmung das letzte Kapitel eines Lehrstücks über die real existierende Demokratie. Schauen wir zurück: Erst trafen Vertreter wirtschaftlicher und politischer Interessen Grundsatzentscheidungen über ein Milliardenprojekt. Kosten (und Kostensteigerungen), städtebauliche Konsequenzen, die Profite aus den Immobilienverkäufen wurden auch auf bohrende Nachfragen nie preisgegeben. Als dann immer mehr Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gingen, wurden sie brutal verprügelt. Diese staatliche Gewalt ging jedoch ins Auge und löste Entsetzen und Empörung aus. Darauf schalteten die Politik-Berater (der alten Landesregierung) schnell um: Nun ging es plötzlich um Dialog, Schlichtung und „Faktencheck“.
An dieser Art der Aushöhlung der Demokratie ändert auch das klare Ergebnis der Abstimmung nichts. Nach Umfragen haben die wenigsten Menschen in Deutschland noch die Überzeugung, dass es gerecht zugeht und dass man mit Wahlen Einfluss auf die Politik nehmen kann. Die Glaubwürdigkeit der Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik wird nicht durch ein paar technische Details des Bahnkonzerns wieder hergestellt. Die Menschen werden erst dann Ruhe geben, wenn sie ernst genommen werden: Wenn sie wahrhaftig informiert und nicht mit billigen Parolen („Zukunftsfähigkeit“, „neues Herz Europas“) abgespeist werden – sie wissen zu gut um die Geheimpapiere und um die Kosten(-steigerungen), die auf sie zukommen. Die Empörung wird erst dann nachlassen und einem neuen Vertrauen Platz machen, wenn nicht die Interessen von Banken, Immobilienhändlern und Konzernen im Mittelpunkt stehen, sondern die Bedürfnisse der Menschen. Nur sie sind nämlich „systemrelevant“.
Georg Rammer
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